Traurige Wahrnehmungsstörung

In Tröglitz in Sachsen-Anhalt kocht das zwischenmenschliche Klima. Die Bürger sind hin- und hergerissen zwischen Gastfreundschaft für Flüchtlinge und Vorurteilen, die durch rechte Gruppen geschürt wurden. Ein ehrenamtlicher Bürgermeister trat aus Angst um seine körperliche Unversehrtheit und die seiner Familie bereits zurück – er fühlte sich allein gelassen von den Politikern, die für ihre Jobs soviel Steuergeld erhalten, dass sie davon leben können.

Über Ostern zündeten Dummköpfe die geplante, frisch sanierte Asylbewerber-Unterkunft an, die für vierzig Menschen auf der Flucht ein zeitweises Obdach bieten sollte. Die aufgeheizte Stimmung wollte kein Ende nehmen. Während man in der Landespolitik und im Landkreis durchaus selbstkritisch agierte und einräumte, die Bürger im Vorfeld völlig unzureichend informiert zu haben, gaben die üblichen „Lautsprecher“ in Berlin ihre populistische Sicht der Dinge bekannt.

Justizminister Heiko Maas beispielsweise machte sofort Nazis als Brandstifter aus. Und das, obwohl die zuständigen Behörden die Ermittlungen noch nicht einmal ansatzweise beendet hatten. Indizien statt Beweise? Das ist für einen Justizminister unwürdig. Grünenchef Anton Hofreiter, von seinen Fans gern mal als der „grüne Toni“ bezeichnet, wusste ebenfalls in einer Zeit der Sprachlosigkeit schlaue Sätze zu formen. Aus sicherer Entfernung machte er flugs die Forderung auf, dass man mehr Geld in Anti-Nazi-Projekte stecken solle.

Die beiden nur beispielhaften Schlaglichter zeigen, wie wenig die große Politik verstanden hat. Es geht darum, die Menschen mitzunehmen, für Verständnis zu werben, Transparenz zu zeigen. Es geht darum, Gesetze zu schaffen und umzusetzen, die Verfolgten und Kriegsflüchtlingen maximalen Schutz bieten. Es geht darum, die nur vorgeblich Verfolgten, die keinen gesetzlichen Asylgrund haben, schnell und konsequent in ihre Heimatländer zurück zu schicken. Und es geht darum, die Asylverfahren zu beschleunigen. Jahrelange gerichtliche Hängepartien kosten den Steuerzahler eine Menge Geld und – das ist noch viel schlimmer –  die Betroffenen unendlich viel Nerven.

Warum müssen Asylbewerber neun Monate warten, bevor sie einen Deutschkurs belegen dürfen? Müsste nicht ab dem ersten Tag die Möglichkeit gegeben sein, sich zu integrieren? Warum stellen die Politiker, die in Berlin schlaue Reden halten, nicht genug Sozialarbeiter zur Verfügung, die die zeitweisen Gäste unseres Landes fachlich kompetent betreuen können? Warum erfolgt nach schlimmen augenscheinlich ausländerfeindlichen Aktionen immer der Ruf nach mehr Geld für Anti-Nazi-Projekte? Haben derartige Projekte überhaupt eine Wirkung? Oder versuchen die Politiker, die am lautesten schreien, mit Forderungen nach mehr Geld für Anti-Nazi-Projekten lediglich ihre Klientel mit lukrativen Jobs in entsprechenden Vereinen und Projekten zu versorgen? Warum probiert man es nicht einmal mit vernünftiger, transparenter, ehrlicher Politik und Information?

Wer derartig schlimme Vorfälle wie in Tröglitz als Vorwand für billige Klientelpolitik nutzt, ist nicht nur ein ideologischer Brandstifter, sondern leidet unter einer fatalen Wahrnehmungsstörung über die Denkweise der Bürger. Und er spielt mit der ohne Zweifel vorhandenen Willkommenskultur in unserem Land für verfolgte Menschen in Notlagen.