Der verengte Korridor des Sagbaren

Mein Name ist Ingo Eckardt, ich bin kein Schauspieler, ich bin durchaus in der Lage, ironische und sarkastische und im Zweifelsfall gar zynische Töne anzuschlagen. Ich fand die Äußerungen der gut fünfzig namhaften Schauspieler in Form einer Kampagne gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zugegebenermaßen nur teilweise gelungen. Wenngleich ich den Hintergrund ihrer Videobotschaften grundsätzlich teile.

Eine wie auch immer geartete Kritik an den seit 13 Monaten eher dilettantisch geführten Maßnahmen ist wohl mehr als gerechtfertigt. Thematisiert werden durch namhafte „Barden“ Fragen von Angstmacherei, Kulturlosigkeit, Gehorsam und vielem mehr, was seit vergangenem Frühjahr in unserer Gesellschaft gang und gäbe ist. Aus Sorge vor dem Tod begeht unsere Gesellschaft Suizid. Aus Angst vor einem Virus, das ohne jeden Zweifel gefährlich, ja tödlich für einige Menschen (0,1 % der Bürger unseres Landes) ist und was einige Menschen wohl langfristig krank macht, begehen wir einen gesellschaftlichen Selbstmord – pardon, natürlich nicht alle… Industrie, Bauwirtschaft, Behörden und Ministerien sind vom selbst gewählten wirtschaftlichen Sterben natürlich ausgeschlossen.

Der quasi unendliche „Lockdown“ betrifft nur die Branchen, die Städte und Gemeinden (die kein Mitspracherecht in der Bekämpfung der Pandemie haben) bisher am Laufen hielten, die mit ihren Gewerbesteuern die Kommunen finanzieren. Kultur, Gastronomie, Tourismus und der kleine Einzelhandel werden brachial platt gemacht. Die Politik verheißt seit Monaten Hilfe, die kaum ankommt und hält die Menschen in Angst, während andere vor Lachen nicht in den Schlaf kommen. Amazon Deutschland, eine Firma, die dort, wo Kosten anfallen, nämlich in den Kommunen, kaum Steuern bezahlt, hat gut profitiert von den Corona-Maßnahmen. Auch der Eigner von Lidl & Schwarz (Kaufland/Lidl) verweist nach Schätzungen auf eine erheblich Vermögenssteigerung im Jahr 2020. Statt 46 Milliarden (ja, das ist eine 46 mit neun Nullen) schätzt man sein Vermögen auf nun 63 Milliarden Euro.

Doch genug mit generellen Aussagen (dabei ist von 740 Millionen Förderung für Impfstoffentwicklung ohne Gegenleistung der Pharmaindustrie noch gar nicht die Rede), es geht um Künstler, die „das Maul auf machen“. Für ihre Kollegen, die seit mehr als einem Jahr nichts verdienten. Schauspieler, die Gesicht zeigten, gegen die Willkür von Politik. Schauspieler, die Gesicht zeigten, für jene, die in unserem Land wegen mangelndem Promi-Faktor keine Stimme haben. Sie haben sich geäußert. Künstlerisch, Sarkastisch. Zynisch gar. Man kann das mögen oder nicht. Man kann die Ansichten teilen oder nicht. Man kann die Künstler für die Art des Protestes kritisieren. Man kann sie auch feiern!

Doch was ist passiert? Eine regelrechte Phalanx von jenen, die auf der vermeintlich „richtigen Seite“ stehen, ließ einen penetranten Shitstorm über den Beteiligten ab. Glaubt man den Medienberichten, wurden einige Teilnehmer der Aktion nicht nur in eine Reihe mit Rechtsradikalen und Verschwörungstheoretikern gestellt: Es wurde Druck auf die Teilnehmer der Kampagne ausgeübt, die das existenzielle Ende einiger Protagonisten befürchten ließ und es gab sogar Morddrohungen. Und damit ist eine neue Eskalationsstufe des nicht mehr Sagbaren erreicht, wie ich finde. Eine nicht mehr hinnehmbare Eskalationsstufe!

In einem besonders menschenverachtenden „Damals“ verbrannte man Bücher, um Ideen und Gedanken auszulöschen. In einem späteren „Damals“ verhängte man Berufsverbote, um Menschen, die unverhohlen Kritik an staatlichem Versagen übten, mundtot zu machen. Heute wirft man die oftmals staatlich subventionierte PR-Maschine an, um gerechtfertigte Kritik zu diffamieren, bloß zu stellen, sie im ideologischen Sinne zu dekonstruieren.
Einige der Protagonisten „knicken nun ein“, um im Falle eines „weiter so“ an den Fleischtöpfen der Gier und des Mammon bleiben zu können. Andere aber stehen dazu, ihre Meinung künstlerisch kund tun zu dürfen. Sie sind die Helden unserer Verfassung. Ob man ihre Meinung teilt oder nicht, ist egal – Demokratie ist, wenn alle Menschen (nicht ohne Widerspruch, aber ohne Angst – beispielsweise vor wirtschaftlicher Vernichtung) ihre Meinung kund tun dürfen.

Leider ist unsere Gesellschaft verkommen – zu einem Hort willfährigem Opportunismus. Wer gegen Corona-Maßnahmen agitiert, ist ein Menschenfeind, der den Tod von Menschen mehr oder minder höherem Alters und mehr oder minder gutem Gesundheitszustandes zumindest billigend in Kauf nimmt. Der Blick in die längst zu Tode gesparten (für die privaten, höchst lukrativen Krankenhäuser und deren) Intensivstationen taugt gut, die Leute in Angst zu versetzen, die das Regieren so leicht macht.

Seit 13 Monaten gilt in unserem Land eine Art Notstand: Kinder gehen nicht mehr zur Schule – wie in einem Dritte Welt-Land quasi, Sportvereine gehen am Stock, Kultur findet nur noch im TV statt, die menschliche Innigkeit ist einer Distanz gewichen, Menschen sind eine Gefahr, statt eine Bereicherung des eigenen Lebens. Eine furchtbare Krankheit hat unseren Planeten heimgesucht – vielleicht ist die Impfung, vielleicht eine regelmäßige Testung, tatsächlich die Lösung für die Zukunft?
Die viel schlimmere Krankheit unserer Zeit, die kaum jemand wahr nimmt, hat einen anderen Namen: Manche nennen sie Egoismus, manche nennen sie sogar Vernunft. Ganz perfide Menschen nennen sie schönfärberisch „Solidarität“ und meinen doch damit eine der schlimmsten Entsolidarisierungen unserer menschlichen Gesellschaft.

Ich bin niemand, der hier sie Lösung bieten will und kann – aber ich plädiere für Augenmaß, für einen vernünftigen Umgang miteinander, für die sanfte Idee, dass man dem anders Denkenden zumindest für einen Moment zugesteht, doch im Recht sein zu können, mit seinen Ideen. Das würde verhindern, dass die Gräben unserer Gesellschaft nicht nur tiefer sondern auch immer breiter werden.