Wenn Schlapphüte ganz große Politik machen…

Kannten Sie vor drei Wochen Sergej Skripal? Heute kennen Sie ihn sicher! Dabei geht es Ihnen vermutlich wie 99,99999 % der Weltbevölkerung – und das ist zudem auch noch Methode, denn der Herr war ein Schlapphut! Der Doppelagent, den jemand (und seine Tochter auch) mit einem gefährlichen Nervengift kontaminiert hat, war erst beim russischen GRU aktiv – später diente er sich dem Geheimdienst seiner Majestät, dem britischen MI 6, an. Nun könnte man sagen: „Geschieht ihm ganz recht – wer für die Falschen spioniert, muss damit leben, dass er vielleicht vorzeitig aus dem Leben scheidet.

Dumm nur, dass der Anschlag auf den bis dato weithin unbekannte Schlapphut dazu taugt, dass der Westen und Russland den Eisernen Vorhang wieder zuziehen. Die Engländer heißen die Russen als Übeltäter – mit Indizien und Anschuldigungen, aber ohne Belege. Nun haben Teresa May & Co. andere, nämlich schwere innenpolitische (Brexit-)Sorgen und so kommt der außenpolitische Skandal zur rechten Zeit.

Der demokratische Westen weist Diplomaten der Russen aus – in konzertierter Aktion, um es nicht transatlantische Nibelungentreue zu nennen. Dabei verkennen die westlichen Regierungen, dass sie ihren eigenen Grundsätzen rechtsstaatlichen Verhaltens widersprechen. Ohne Beweis gibt es keine Verurteilung! So sagt es die Rechtsstaatlichkeit. Den Beweis ist man der Öffentlichkeit bislang schuldig geblieben und man verweist blumig auf Geheimdienstinformationen. Also auf Aussagen, die Leute treffen, die fremde Agenten „umdrehen“. Glaubwürdig ist anders, könnte man meinen. Nun könnte man sagen, vielleicht haben unsere Regierenden im Westen ja Informationen, die man den Menschen vorenthält. Das wäre dann auch wieder ziemlich blöd! Transparenz ist eine Kerneigenschaft der Demokratie. Oder ist es doch so, wie es einst Thomas de Maiziére formulierte: „Ein Teil meiner Antwort würde Sie verunsichern“?

Blicken wir noch schnell auf die andere Seite: Die alten Lateiner sagten, wenn es um das Lösen schwerer politischer Rateaufgaben ging „Cui Bono“ – wem nutzt es. Das ist die zentrale Frage, aber man kann ziemlich genau sagen, wem es nichts nützt, einen ehemaligen russischen Agenten mit einem in einem russischen Labor vor mehr als dreißig Jahren entwickelten Stoff zu vergiften: Russland.

Warum sollte das Land des einstigen „Schlapphutes“ Putin das tun? Um sich selbst die Chance zu nehmen, eine großartige Fußball-WM mit Gästen aus der ganzen Welt zu veranstalten, die lange in Erinnerung bleibt? Um sich der Anfeindung des ach so demokratischen Westens auszusetzen, um damit die eigene Heimatfront zu stärken? Ehrlich gesagt, scheint das ziemlich weit hergeholt.

Fazit: Nur eine gemeinsame Ermittlung des Westens mit den Russen würde die Chance bieten, die wahren Hintermänner zu enttarnen. Dass ausgerechnet die britische Regierung das nicht möchte, lässt eine Folgerung zu, die auch nur Mutmaßung ist, aber nicht weniger glaubhaft als die des „bösen Russen“, der Ex-Agenten ausschalten will.