Dinge, die zusammenhängen

Manchmal fragt man sich schon, warum in der großen Politik Dinge genau so ablaufen, wie sie ablaufen.

Ein Beispiel: Heute spricht ganz TV-Deutschland wieder mal über Griechenland und die Reform-Unwilligkeit der Syriza-Regierung. Zugegeben, die jüngste Geschichte der Hellenen ist eher unübersichtlich. Zum einen beschwert man sich in Athen, dass der IWF auf Rentenkürzungen und Sozialeinschnitte besteht, bevor man über weitere Verhandlungen überhaupt spricht. Dabei soll es dann um neue Kredite gehen, obwohl Griechenland schon heute keine Kohle mehr hat, die bestehenden Forderungen zu begleichen. Als die Griechen vorschlugen, den Verteidigungsetat zusammenzustreichen, lehnte der IWF dem Vernehmen nach ab. Dazu und wem sich der IWF wohl verpflichtet fühlen könnte, darf man sich gern mal seine eigenen Gedanken machen.

Auf der anderen Seite haben die Tsipras-Jünger es innerhalb eines halben Jahres nicht geschafft, auch nur einem einzigen der großen Steuersünder Griechenlands juristisch mal einen auf die Mütze zu hauen. Ohne Sinn und Verstand haben wir steuerzahlenden „Resteuropäer“ also seit Jahren für die Schulden Griechenlands gebürgt. Das Geld floss freilich nicht nach Rhodos, Kreta und Chaldidiki, sondern in die Kassen der institutionellen Anleger der Banken, die einem offensichtlichen Pleite-Land noch vor wenigen Jahren weiterhin fromm und frei Geld geliehen haben.

Und da ist noch das zweite Thema des Tages: Russland rüstet auf. Zar Putin, Wladimir I., hat verkündet, vierzig neue Interkontinentalraketen zu etablieren, die alle Abwehrsysteme durchbrechen können. Die kann man im Zweifelsfall auch mal mit Atomsprengköpfen versehen. Die Medien des Westens verkünden ungefiltert das von hiesigen Politikern gespiene Gift und Galle. „Böser Russe“, eben! Kaum ein Wort darüber, dass Putin mit der Aufrüstungsankündigung darauf reagiert, dass die USA seine vor dem „russischen Bären“ augenscheinlich zitternden NATO-Verbündeten mit schwerem Kriegsgerät zur Seite springt und dieses an den Grenzen des russischen Oligarchenreiches installiert. Da reden doch niemand mehr über Ukraine, wenn es Litauen, Lettland und Polen auch tun. Dann macht man in Polen noch ein schickes NATO-Manöver und übt schon mal, wie Krieg geht…

Und jetzt die Frage nach dem Zusammenhang: Die USA haben die „Institutionen“, wie man IWF, EZB und EU-Kommission neuerdings nennt, aufgefordert, den „Grexit“, also das Ausscheiden der Hellenen aus der Euro-Zone, zu verhindern. Warum eigentlich? Man hat Angst in Washington – Angst um tolle Militärexporte nach Griechenland und vor allem Angst vor einer Annäherung Griechenlands an – man horche auf – Russland. Traditionell und religiös steht man sich in Athen und Moskau nahe und schon nach dem 2. Weltkrieg kostete es vier Jahre Zeit und eine ganze Menge Dollars, die Hellenen auf Westkurs zu bringen. Würde man die Griechen aus dem Euro ausscheiden lassen, könnte es sein, dass Meister Tsipras mit Wladimir Putin über Petro-Rubel, Kredite und Zusammenarbeit spricht. Wenn das passiert, ist die Ukraine endgültig ein Thema von gestern.

Bleibt im Sinne Europas und seiner Bewohner nur zu hoffen, dass keiner derer, die hier versuchen Stellvertreterkriege zu führen, zwischenzeitlich die Nerven verliert und auf einen roten Knopf drückt…

Mehr als 60 % sind Wahlen egal – eine kritische Wahlnachlese

Rolf Keil von der CDU Vogtland ist der nächste Landrat im Vogtlandkreis. Mehr als 56 % der Wähler sprachen dem einstigen Schönecker Bürgermeister schon im ersten Wahlgang am vergangenen Sonntag das Vertrauen aus. Seine Kontrahenten Michael Schiebold aus Plauen (auf Ticket der Linkspartei) und Gunnar Gemeinhardt, ein Einzelkandidat aus Straßberg, kamen jeweils auf knapp 22 Prozent der Wählerstimmen. Das sind durchaus beachtliche Werte.

Keil „beerbt“ Tassilo Lenk, der nach Erreichen der Altersgrenze nicht mehr zur Wahl antreten durfte. Lenk führte die Geschicke der Region seit 1996 – nach der Festlegung darauf, dass man in einem geeinten Kreis die Zukunft angehen sollte. Entgegen der allgemeinen Meinung, dass Lenks Verdienste vor allem im Bau einer Großschanze in Klingenthal und der Zentralisierung der Landkreisverwaltung in Plauen zu finden sind, sollte man eines nicht gering schätzen: Es gelang dem promovierten Tiermediziner, die heillos zerstrittenen Vogtländer zwischen Schönberg und Neumark, Ebersgrün und Rothenkirchen mit einer gemeinsamen, vogtländischen Identität auszustatten. Dieser Verdienst wird jedoch dadurch geschmälert, dass es ihm nach 2008 nicht gelungen ist, die Plauener in „seinen Kreis“ so zu integrieren, dass sie sich mitgenommen fühlten. Und es ist nicht gelungen, den gegenüber der Spitzenstadt recht skeptischen Rest-Vogtländern zu vermitteln, dass die Gesamtregion mit einer prosperierenden Stadt Plauen steht und fällt.

Diese Aufgabe fällt nun Rolf Keil zu, den seine politischen Wahl-Kontrahenten gern in die Nähe einer „Erbmonarchie“ der CDU rücken wollten. Wer mit Keil spricht, erfährt schnell, dass er keineswegs ein gar treuer  Vasall des bisherigen Landrates ist. Seine Ansichten und Ziele sowie die Wege dorthin dürften sich deutlich unterscheiden vom Stile des Amtsinhabers, der gerne mal in „Basta-Manier“ agierte. Rolf Keil erscheint – das hat sich in Schöneck gezeigt – eher als ein Teamplayer, der mit Geschick und politischem Instinkt die Weichen stellen will. Er wird die schweren Aufgaben haben, sich als Landkreis-Vater zu profilieren, die Plauener mit den Rest-Vogtländern zu versöhnen, die kritische Finanzlage des Kreises zu lösen und die kleinen Feuerstellen der Missgunst unter den Vogtländern immer rechtzeitig zu löschen, bevor sie zum Flächenbrand werden. Um es mal so auszudrücken: Es gibt sicher Jobs, die weniger Potenzial zum Burnout haben.

Ein Detail trübt jedoch die Freude selbst bei der feiertrunkenen CDU ganz gewaltig. Nur knapp 69.000 von gut 198.000 Wahlberechtigten konnten mit der Landratswahl an die Urnen gelockt werden – das ist gerade mal ein gutes Drittel. Ein wenig besser war die Beteiligung in Orten, in denen man gleichzeitig auch einen neuen Bürgermeister wählte – in Auerbach oder Neuensalz, Pausa-Mühltroff oder Bad Elster und Elsterberg. Katastrophal wurde es in Plauen und Rodewisch – zwei Städte ohne weitere Wahlen, wo gerade einmal jeder vierte Berechtigte sein Kreuzchen machte. Dies ist ein schweres Zeichen von Politikverdrossenheit und beschädigt die Legitimierung des Gewählten. Zwei Drittel der Menschen konnten nicht bewegt werden, ihren höchsten Repräsentanten zu wählen. Zwei Drittel der Vogtländer konnte mit dem eher müden Wahlkampf nicht erreicht werden.

Ein weiterer Grund für die Nichtbeteiligung vieler Vogtländer am demokratischen Prozess dürfte die Tatsache sein, dass die etablierten Parteien keine eigenen Kandidaten ins Rennen schickten (mal abgesehen von CDU und mit Abstrichen die Linken, die einen Einzelbewerber unterstützten). Das ist ein klares Zeichen für ein Fehlen kompetenter Parteienakteure oder aber die pure Feigheit vor einer möglichen Niederlage. Es gibt im Vogtland eindeutig zu viele straffe Parteisoldaten, die zwar Ideologien eingebläut bekommen, aber dabei vergessen selbst für sich und andere zu denken, vergessen, Verantwortungsbewusstsein für ihre Heimatregion zu entwickeln und vergessen, dass Demokratie und Wahlen nur mit Auswahl funktioniert. Dennoch sollte sich auch jeder (Nicht-)Wähler im Klaren sein, dass Wählen ein hohes demokratisches Recht ist, dass es nicht durch demonstratives Desinteresse zu beschädigen gilt. Der Ball aber liegt vor allem bei den Parteien, die Wege finden müssen, die Desinteressierten wieder an die Funktionsweise unserer Demokratie heran zu führen – lokal, regional, landes-, bundes- und europaweit. Ansonsten hat diese Regierungsform schon bald ein Ende und es droht die Diktatur, konkret eine „Diktatur der Bürokraten“, denen dann keiner mehr auf die Finger schaut.