So funktioniert Politik…und irgendwie fühlt man sich verkohlt

Im Jemen, einem seit jeher instabilen Land ist mal wieder Krieg. Die Regierung musste die Hauptstadt Sanaa verlassen und ist nun im Exil in Aden, einer Hafenstadt, die schon einmal Hauptstadt war – und zwar in der VDR Jemen. Parallel zur Wiedervereinigung in Deutschland musste 1990 auch die Volksdemokratische Republik Jemen anerkennen, dass die realsozialistische Gesellschaftsordnung nicht tragfähig genug war. Es kam zur Vereinigung mit Nordjemen, der Kapitalismus nahm seinen Lauf.

Seit ein paar Jahren liefern sich schiitische Milizen, die Huthi, Gefechte mit den regulären Truppen. Wer finanziert die Rebellen? Vermutlich die iranischen Mullahs, die noch im Golfkrieg Gegner des Jemen waren, da die offiziellen Doktrin den Irak (damals unter sunnitischer-bathistischer Führung Saddam Husseins) unterstützten. Die Bodenschätze (Erdöl/Erdgas) werden zum Großteil von amerikanischen Firmen ausgebeutet und mit der sunnitischen, jemenitischen Regierung die Erlöse geteilt. Die eher islamistische Strömung der Huthi will nun eine Neuordnung des Staatswesens erreichen und hat eine Luftwaffenbasis besetzt, die die USA im Jemen betreiben.

Heute nun wurde eine Verschärfung der Lage offenbar. Der saudische Botschafter in den USA hat verkündet, dass die wahabitische Regierung Saudi-Arabiens mit 150.000 Mann für die jemenitische, sunnitische Regierung Partei nehmen werden, um die schiitischen Rebellen zu bekämpfen.

Was lehrt uns das?

1. Peter Scholl-Latour hatte sicher Recht: Die arabisch-religiösen Verhältnisse sind schwer durchschaubar – Schiiten und Sunniten (Wahabiten sind eine sunnitische Glaubensrichtung) stehen sich unversöhnlich gegenüber, wie einst katholische und protestantische Christen im Europa des Mittelalters. Allerdings finden die Kämpfe heute mit deutlich wirkungsvolleren tödlicheren Waffen statt als damals.

2. Die Amerikaner tun alles, um ihre nahöstliche Einfluss-Sphäre zu erhalten. Die amerikanische Unterstützung der brutalen, ultrareligiösen und wenig progressiven saudischen Staatsmacht geht so weit, dass die Regierung der Saudis nicht mal selbst in ihrer Hauptstadt Riad spricht, sondern wie die Lakaien in Amerika.

3. Es geht – trotz aller anderslautender Beteuerungen – immer um wirtschaftlichen Einfluss und militärische Sicherung der Einfluss-Sphären. Diese auch in Deutschland akzeptierte Sichtweise gilt jedoch nur, wenn die USA sich so verhalten. Tut Russland das Gleiche, ist das natürlich eine völlig andere Sache.

Das sollte uns zu denken geben – man kann nur raten, selber den Kopf einzuschalten, wenn man Meldungen in Rundfunk und Fernsehen hört!

„Rote Roben“ rennen einer fragwürdigen Politik hinterher

Das Bundesverfassungsgericht hat heute einen Beschluss gefasst, der zumindest in Teilen der Bevölkerung für Skepsis sorgt. Der 1. Senat des höchsten deutschen Gerichtes bescheinigte, dass ein generelles Kopftuchverbot für Lehrerinnen an deutschen Schulen nicht gelten darf. Immerhin berufen sich die Verfassungsrichter auf ein extrem hohes Gut unseres Landes, dem Artikel 4 des Grundgesetzes, der die Freiheit des religiösen Bekenntnisses garantiert.

Die „Roten Roben“ geben damit einem fragwürdigen Zeitgeist die Ehre. Noch 2003 urteilte das gleiche Gericht, dass es sehr wohl sein könne, dass das Tragen eines Hijab Grund für eine Nichteinstellung einer muslimischen Lehramtsanwärterin sein kann. Damals wurde den Ländern aber ins Stammbuch geschrieben, dass dies in den Schulgesetzen der Bundesländer geregelt sein müsse. In der Folge schrieben mehrere Bundesländer das Kopftuchverbot fest. Heute nun, also zwölf Jahre später, stellt das höchste deutsche Gericht fest, dass ein im Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen niedergeschriebenes Kopftuchverbot nicht verfassungskonform sei.

Grundsätzlich stellt sich der denkende Mensch in einem solchen Falle die Frage, was sich konkret verändert hat seit 2003 – das Grundgesetz (und nur um dieses darf es den Verfassungsrichtern gehen) erfuhr in dieser Sache keine Änderung. Artikel 4 gilt nach wie vor und für unser Land ist dies von großer Bedeutung. Denn all die Menschen, die in unser Land kommen, um hier eine Zukunft zu finden, müssen die Möglichkeit haben, ihren Glauben zu leben. In welcher Form diese Glaubensausübung stattfindet, ist eine Frage der Ausgestaltung. Muss eine moderne, aufgeklärte Gesellschaft beispielsweise die Vollverschleierung von Frauen dulden, die von nicht wenigen als Zeichen eines überkommenen Frauenbildes betrachtet werden? Muss eine eher abendländische Gesellschaft damit umgehen können, dass muslimische Gebetshäuser mit Minaretten in unseren Städten gebaut werden? Und eben: Sollte ein muslimisches Symbol wie ein Hijab in der Schule von Lehrerinnen getragen werden dürfen? Auf diese Fragen gilt es, kluge Antworten unserer Gesellschaft zu finden.

Grundsätzlich ist Glaube in Deutschland Privatsache, wenngleich das Grundgesetz in seiner Präambel einen Gottesbezug vornimmt und damit auf eine gewisse jüdisch-abendländische Prägung hindeutet. Nun hat sich seit Erlass des Grundgesetzes vieles getan, aber erst in den letzten Jahren hat die Zeitgeist-Diskussion um Religion und religiösen Fanatismus ganz massiv Fahrt aufgenommen. Christian Wulff, der vorletzte Bundespräsident war es, der den Satz formulierte „Ja, der Islam, gehört zu Deutschland“. Während aus interessierten Kreisen damals bereits Jubel zu hören war, sahen viele Deutsche diese Generalisierung skeptisch. Auch „Mutti Merkel“ hat sich der Zeitgeist-Welle längst angeschlossen (schließlich kriegt man dafür viele schöne Schlagzeilen und nimmt gleichzeitig rot-grün auch noch ein Thema weg). Auch sie beschwor vor kurzer Zeit erst die Zugehörigkeit des Islam zu unserem Land. Diesmal war das kritische Murmeln aus weiten Teilen der Gesellschaft jedoch schon deutlicher zu vernehmen. Dennoch folgten die Verfassungsrichter nun dieser fragwürdigen Politik-Vorgabe.

Zu tief sitzen die Erkenntnisse von Menschen, die von Parallelgesellschaften in Berlin, Mannheim, Mainz, Bremen, Offenbach oder Frankfurt hören und lesen, von jungen Menschen, die unsere gesellschaftlichen Normen missachten, um ihren Glaubensbrüdern zu beweisen, wie fest sie zu ihrem muslimischen Glauben stehen. Gerade wo der Anteil der Menschen mit islamverwurzelten Migrationshintergrund besonders hoch ist, kapituliert die staatliche Macht immer häufiger. Wer dagegen laut protestierte, wer analysierte oder auch nur seine eigenen Erlebnisse beispielshaft öffentlich machte (man denke an Heinz Buschkowsky, den Ex-Bürgermeister von Berlin-Neukölln), wurde beschimpft, diskreditiert und teilweise gar in Richtung des rechten Randes unserer Gesellschaft geschoben.

Welches Fazit lässt sich ziehen aus dieser Melange an Fakten und Stimmungen? Die breit angelegte Diskussion rund um den Umgang zwischen den Religionen in unserem Land muss geführt werden. Wohin wollen wir unser Land entwickeln? Welche Leitkultur, um diesen oft diskutierten Begriff einmal zu nutzen, wollen wir in unserem Staat künftig verfolgen? Wie gehen wir mit wie auch immer geartetem religiösen Fanatismus um? Ohne diese gesellschaftlich notwendige Diskussion können Verfassungsrichter urteilen was sie wollen – auf keinen Fall tun sie dies „Im Namen des Volkes“.

Rechtsstaat pervers: Was will und der Edathy-Fall sagen?

„Coram iudice et in alto mari sumus in manu Dei.“ So sagt man in lateinisch gebildeten Juristenkreisen, wenn man die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz nach dem Artikel 3 des Grundgesetzes einmal wieder gebetsmühlenartig zitiert. Richtigerweise sei hier erwähnt, dass es ein altes Zitat ist, welches korrekt übersetzt bedeutet: „Vor Gericht und auf Hoher See sind wir alle in Gottes Hand“.

Nimmt man den gestrigen Beschluss des Landgerichts Verden im Falle von Sebsatian Edathy darf man getrost daran zweifeln, dass man den alten Spruch noch als gültig erachten kann. Edathy war angeklagt, kinderpornograhisches Material aus dem Internet heruntergeladen zu haben. Es lagen Protokolle der Downloads vor, die von Edathys Rechner im Bundestag stammen. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht boten nun den Deal an: Gesteht der SPD-Politiker sein Fehlverhalten ein, bekommt der arrogant wirkende Politprofi einen Freispruch zweiter Klasse mit 5.000 Euro Ausgleichszahlung an den niedersächsischen Kinderschutzbund zahlen. Glaubt man den kolportierten Aussagen der Staatsanwaltschaft, die ein glaubwürdiges Schuldeingeständnis verlangt hatte, sei es vor allem die Tatsache gewesen, dass Edathy in Deutschland wohl kaum mehr unbehelligt leben könne, die zum Deal führte. Er sei quasi genug gestraft, mit dem Ende seiner Politkarriere.

Seine Überheblichkeit präsentierte der Beschuldigte, der nun als nicht vorbestrafter, unbescholtener Bürger gilt, noch am Tage des Urteils. Nachdem sein Verteidiger vor Gericht von einem eingesehenem Fehler und Reue sprach, verlautete Edathy via Facebook, dass die Erklärung vor Gericht kein Schuldeingeständnis sei. Ja wie jetzt? Ist es nun ein Schuldeingeständis wie vom Staatsanwalt gefordert oder nicht? Ist der Deal nach Edathys Aussage eigentlich zu halten?

Und vor allem: Wohin soll das Ganze führen? Kann sich künftig jeder Pädophile, der sich am Rechner am Missbrauch Minderjähriger ergötzt auf diesen Fall berufen? Oder greift bei Herrn Müller oder Schulze am Ende doch die volle Härte des Gesetzes. Wie findet ein potenzieller Täter-Opfer-Ausgleich im Falle Edathy statt? Wer denkt an die betroffenen Kinder, die (auch für Edathys perverse Neigungen) pornografisch missbraucht wurden? Dazu kommt, dass für den Politiker Edathy die lächerliche Summe von 5.000 Euro wohl nicht mal ein Taschengeld ist – weh tut ihm diese Auflage ganz sicher nicht. Jetzt stellt sich die Frage, ob man Edathy nicht die Übergangsgeldzahlung (bezogen auf seine Bundestagsdiäten) entziehen kann. Hoffentlich hinterfragt das mal ein kluger Politikerkollege.

Ebenso offen ist, wie es nun mit der Aufklärung der politischen Affäre weiter geht. Wer hat wem wann den Tipp gegeben, dass die Ermittler gegen Edathy Verdacht hegten. Welche politischen Mitstreiter reißt der Politkrimi noch mit ins politische Niemandsland? Lobenswert in all dem Unklaren ist die klare Haltung, die SPD-Vize Torsten Schäfer-Gümbel deutlich machte. Er forderte Edathy auf, sein Parteibuch abzugeben, denn sein Verhalten sei mit den Grundsätzen der Partei nicht vereinbar. Wenigstens einer, der laut sagt, was das Volk denkt!