Ein paar Fragen zum Terror

Der Terror ist da – mitten in Europa! Verblendete Islamisten haben – wohl unter Berufung auf ihren angeblichen Glauben – in Brüssel einen furchtbaren Terroranschlag verübt. Sie versuchten das Herz der Europäischen Union zu treffen. Fast 35 Menschen überlebten die Anschläge am Flughafen und in einer Metrostation nicht. Hunderte wurden verletzt. Die westliche Welt hält den Atem an, die Politik ruft – je nach Gusto – den „Krieg“ aus oder nach der vollen Härte des Gesetzes gegen die Täter. Uneingeschränkte Solidarität wird beschworen – und alle wissen, dass es nur Sprechblasen sind, die hier geäußert werden. Die TV-Sender überschlagen sich mit Sondermagazinen, Brennpunkten und Experten-Statements. Ein gnadenloser Hype hat die Medien erfasst, in dem das Wichtigste fast untergeht: Über 30 Menschen sind dem feigen Anschlag in Brüssel zum Opfer gefallen – über dreißig Menschen, die aus der Mitte ihrer Familie gerissen wurden, die weinende Kinder oder Eltern zurückgelassen haben. Das ist schlimm und irgendwie trifft es uns alle im Kern unserer Lebensentwürfe.

Weit weniger trifft es uns, dass täglich knapp 8.500 Kinder unter 5 Jahren in aller Welt sterben – und zwar, weil sie schlichtweg verhungern (Quelle UNHCR). Weit weniger trifft es uns, dass an jedem Tag des Syrienkrieges in den vergangenen fünf Jahren rund 130 Menschen ums Leben kamen (Quelle UNO). Weltweit sterben in Kriegen und gewalttätigen Auseinandersetzungen täglich rund 500 Menschen (Quelle UNO) – doch das trifft uns genauso wenig. Berichten unsere Medien regelmäßig und tiefgründig über diese über diese Fakten? Warum bringt man den Menschen nicht nahe, was die Welt an Grausamkeiten für uns bereit hält? Weil all diese Menschen weit weg von deutschen Grenzen sterben? Sollten wir – bei allem verständlichen Mitgefühl für Opfer und Hinterbliebene des Brüsseler Anschlages – nicht die Relationen erkennen? Sind diese oben genannten Zahlen am Ende nicht Auslöser dafür, dass im Herzen Europas Menschen bei Terroranschlägen sterben mussten?

Es gibt zu viele Fragen und zu wenige Antworten in diesen Tagen: Behalten wir kühlen Kopf oder lassen wir es zu, dass unsere Freiheitsrechte zugunsten von Sicherheitsbestrebungen aufgegeben werden? Wenn wir das tun, hätten dann nicht die Terroristen von heute Morgen ihr Ziel erreicht, Europa und die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen? Sind wir tatsächlich im Krieg? Oder sind die angeblichen IS-Terroristen am Ende doch nur kleine, feige Kriminelle? Ist generell der Islam ein Problem oder sind es die wenigen Fanatiker, die unter dem Deckmantel des Glaubens ihr perfides Werk verrichten?

Es wird Zeit, dass unsere Gesellschaft auf diese Fragen Antworten findet. Waffenlieferungen, Bundeswehreinsätze und Kriegshandlungen scheinen als Reaktion untauglich zu sein – hoffentlich sehen das auch die Entscheider in unserem Land so!

 

Wenn Wahlen nur Gewinner haben

WahlkreuzGestern war er also der Super-Wahlsonntag, der auch als Stimmungsbild für die Politik der GroKo in Berlin angekündigt wurde. Am Ende des (Wahl-)Tages gab es einmal mehr fast nur Gewinner, zumindest wenn man die Ansprachen und Interviews der Protagonisten der diversen Parteien nach den verschiedenen Hochrechnungen oder in den Talkrunden des späteren Abends betrachtet. Wer allerdings dachte, dass einen Tag später die Entscheidung der Wähler die Parteienvertreter ein wenig demütig gemacht habe, der irrte – da liegt übrigens ein gewichtiger Grund für die politische Verdrossenheit der Menschen in unserem Land.

In allen Wahl-Ländern gab es einen Sieger – die Demokratie. Denn erstmals wurde der Trend immer niedrigerer Wahlbeteiligung gestoppt. Diesen Erfolg darf sich übrigens die AfD ans Revers heften. Denn ein Gutteil bisheriger Nichtwähler kreuzelte am Sonntag bei denen, die sich als Alternative zu den etablierten Parteien des demokratischen Spektrums verkaufen. Aber nicht nur das. Im Vorfeld schürten die anderen Parteien eine so enorme Angst vor den Petry-Jüngern, dass auch sie einen höheren Aktivierungsgrad ihrer Anhänger erreichten als bisher. Insofern darf man der nationalkonservativen Ex-Euro-Kritiker-Partei dankbar sein. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass die AfD mit ihrer klaren Anti-Merkel-Haltung in beinahe allen Politikfeldern die bisherigen Modelle der Koalitionsbildung brachial pulverisierte. Vorbei die Zeiten, in denen zwei Parteien klare Mehrheiten schaffen konnten.

Schauen wir einmal in die einzelnen Parteilager:

A wie AfD: Die Petry-Partei, die einst als neoliberale Protestgruppe gegen die EU-Währungspolitik geboren wurde, kann sich als einzige Wahlsiegerin in allen Ländern feiern. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg kam man aus dem Stand auf über 10 Prozent, in Sachsen-Anhalt machte fast jeder vierte Wähler sein Kreuz bei der AfD. Das Erfolgsrezept der Partei ist simpel. Als einzige der ernstzunehmenden politischen Kräfte hat sie den Kurs der Bundeskanzlerin in der Flüchtlingsfrage als falsch dargestellt und sich dem von ihr als „Mainstream“ bezeichneten Parteiensystem distanziert. Damit sammelten die Poggenburgs, Junges und Meuthens nicht nur am rechten extremen Rand Wählerstimmen sondern zogen auch den etablierten Parteien Wähler ab – viele der CDU, aber auch nicht wenige aus dem Lager von SPD und Linken. Dass auch nur ein einziger Wähler wegen der klugen Ansichten zu Familien-, Wirtschafts-, Struktur- oder Familienpolitik sein Kreuz bei der AfD gemacht hat, daran glaubt wohl nicht einmal Frauke Petry. Ihre Wählerschaft ist die des Protestes gegen die Merkelsche Flüchtlingspolitik.

C wie CDU: Die Partei von Angela Merkel hat in Baden-Württemberg das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren. Neben der Stärke des politischen Gegners im „Ländle“ spielte da wohl auch die Person Guido Wolf eine Rolle. Der Spitzenkandidat der Union, der die Aura einer weißen Tapete ausstrahlt und mit Fistelstimme vor wie nach der Wahl politische Luftblassen aus der Phrasendreschmaschine in die Mikrofone blubberte, hat es für seine Partei vergeigt. Doch statt in Demut das Wählervotum entgegenzunehmen, faselte er allen Ernstes von einem Erfolg, weil man doch grün-rot habe ablösen können. Als ob die Union dazu auch nur einen Splitter Anteil gehabt hätte.

Ganz ähnlich lief es für die CDU in Rheinland-Pfalz, wo Julia Klöckner sich vor Monaten schon als kokette Landesmutter fühlte und am Ende des ausgerufenen „Zickenduells“ doch von Amtsinhaberin Malu Dreyer abgekocht wurde. Demut? Auch hier völlige Fehlanzeige! Auch sie versuchte die Niederlage als Erfolg zu verkaufen – schließlich habe man ja dafür gesorgt, dass rot-grün nicht weiter regieren kann. Wie man genau dieses Krankheitsbild der fehlenden Selbstwahrnehmung nennt, ist medizinischen Laien nicht bekannt. Aber im Volksmund nennt man so etwas Größenwahn.

Einzig in Sachsen-Anhalt konnte sich die CDU über einen Wahlsieg freuen, mit einigen Verlusten freilich und Reiner Haseloff kann seine Koalition mit der schwachen SPD nicht fortsetzen. Dazu wird der Ministerpräsident auch die Grünen mit einbinden müssen – Kenia-Koalition nennt sich dieses Experiment. Es dürfte bunt werden in Magdeburg…

F wie FDP: Bei den Liberalen wachsen auch unter Christian Lindner die Bäume zwar nicht in den Himmel. Aber immerhin konnte man in den beiden westdeutschen Bundesländern wieder in die Landtage einziehen. Mit genug Machtwillen könnte es gar zu zwei neuen Regierungsbeteiligungen in der neuen bunten Parteienwelt werden. Damit bekäme die FDP auch wieder mehr bundespolitisches Gewicht. Man darf sich auf eine spannende Koalitionsbildung freuen.

G wie Grüne: Vor Kraft kaum laufen können die Ökos in Baden-Württemberg, wobei man die Grünen im Südwesten wohl eher im konservativen Lager verorten darf. Der einzige Grüne auf dem Chefstuhl eines Bundeslandes ist ein „Landesvater“ alter Schule und sammelt seine Sympathisanten längst nicht nur im eigenen Lager. Selbst die Mehrheit der CDU-Wähler findet Kretzschmann Klasse. Ob Kretzschmann mit dem Wahlverlierer Wolf oder doch mit den SPD-lern und der FDP regieren wird, bleibt abzuwarten. Eine wirklich klare Mehrheit hat der konservative Mann in Grün allerdings nur mit der Union.

L wie Linke: Der Versuch, im Westen der Republik in die Landtage zu kommen, ist der Linkspartei wieder nicht gelungen. Mehr noch: Als einstige Volkspartei im Osten ist man auch in Sachsen-Anhalt gar furchtbar unter die Räder gekommen. Von 23,7 Prozent 2011 rauschte man 7,4 Prozent runter und ist gar nur noch auf Rang drei der Parteieintabelle hinter der AfD verzeichnet. Wenigstens hier gibt es so etwas wie politischen Anstand: Linken-Spitzenkandidat Wulf Gallert zog in Sachsen-Anhalt die Reißleine und erklärte seinen Rückzug aus der ersten Reihe.

S wie SPD: Außer in Rheinland-Pfalz ist die SPD auf dem Weg, auch in Baden-Württemberg ostdeutsche Ergebnisse einzufahren. Als Juniorpartner des alles überstrahlenden Winfried Kretzschmann gerieten die Genossen um Nils Schmidt in Baden-Württemberg gehörig in die Prozentepresse. Selbst die AfD konnte der Koalitionär nicht mehr auf Distanz halten. Sicher sind die Genossen in Baden-Württemberg keine starke Volkspartei, aber so eine deftige Ohrfeige dürfte richtig weh tun. In Sachsen-Anhalt hat sich die ohnehin nicht sonderlich starke SPD quasi halbiert. Mit gerade noch einmal zehn Prozent Wählerstimmen hat man hier den Genossen so richtig einen mitgegeben. Vielleicht hat man auch nicht vergessen, wie die „westdominierte“ SPD unter Sigmar Gabriel die Ostdeutschen gerne mal in eine rechte Ecke drückt. Das „Pack“ hat sich auf seine Weise bei Gabriel & Co. bedankt. Dass am Ende in Sachsen-Anhalt die SPD-Frontfrau Katrin Budde nach einigem Festhalten an ihrer Position doch ihren Hut nahm, war dann doch eine erfreuliche politische Konsequenz. So richtig gut lief es für die „Sozis“ nur im einstigen Unions-Stammland Rheinland-Pfalz, weil dort Malu Dreyer mit einem starken Endspurt ihre Kontrahentin Julia Klöckner doch deutlich distanzieren konnte. Doch auch hier hat die AfD die schöne heile SPD/Grüne-Welt gesprengt. Nun muss die bei den Wählern beliebte Landesmutter entweder die Liberalen von einer „Ampel“ überzeugen oder eben die CDU zu einer „Großen Koalition“ einladen. Wobei selbst „GroKos“ längst nicht mehr sind, was sie im Bund noch ist. Immerhin halten zwischen Rhein und Main die beiden selbst ernannten Volksparteien gemeinsam noch 68 Prozent.

Alles in allem ist das Spektrum der Parteien angewachsen und spannend wird, wie man mit der AfD umgeht. Die harte politische Debatte mit Petry und Co. zu führen und die eigenen Parteienangebote zum Vergleich vorzulegen, wäre vielleicht ein klügerer Weg, als „Bäh“-rufend durch die Gegend zu rennen. Wenn eine Partei namhafte Anteile der Wählerschaft für sich gewinnen kann, sollte man sich hüten, diese per se als billig rechtspopulistisch und temporäres Phänomen abzutun. Allerdings ist das Ergebnis der drei Wahlen – mal ganz nüchtern betrachtet – auch nicht der Untergang des Abendlandes – was sicher nicht nur die AfD-Anhänger und Pegida-Fans freuen dürfte.

 

Italienische Verhältnisse

Nun ist es Gewissheit, auch wenn sich derzeit alle in den Interviews darum bemühen, sich nicht als die totalen Verlierer des Superwahlsonntags darzustellen, gibt es in den drei Ländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt nur einen echten Wahlgewinner: Die „Alternative für Deutschland“. Das ist bitter für die etablierten demokratischen Parteien, die allesamt eine Koalition mit der AfD von vornherein ausgeschlossen haben. Die AfD hat das Parteiensystem mit einfachen Koalitionen völlig aus der Balance gebracht. Zudem ist es dieser Partei augenscheinlich gelungen, in Größenordnungen Menschen an die Wahlurne zu bringen, die bislang eigentlich nicht zur Wahl gehen wollten – als eigene Wähler und als Wähler anderer Parteien, denen die hohen Umfragewerte für die „Blauen“ den puren Angstschweiß auf die Stirn trieb. Es bedarf also einer solchen populistischen Partei, die Bürger wieder ins demokratische System zu bringen?