Wahlkater statt Freude

Früher war alles besser! Da gab es immer nur Gewinner. Heute, am Morgen nach der Bundestagswahl ist der Kater bei allen sichtbar groß. Was wird werden und was kann man aus den Ergebnissen lesen?

Starten wir mal im Vogtland: Hier hat sich CDU-„Platzhirsch“, Yvonne Magwas, recht sicher durchgesetzt. Ihren ärgsten Verfolger, den langjährigen DSU-Landeschef Ulrich Lupart, distanzierte sie um 9 Prozent und auch in den Zweitstimmen kam es im Sog der jungen CDU-Abgeordneten zu einem positiven Ergebnis für die Union, die 3,8 Prozent über der AfD lag. Das ist nicht viel an Abstand, aber immerhin noch besser als in Sachsen insgesamt. Dass Linke (16,0%), SPD (11,4%) FDP (7,2%) und Grüne (3,0%) in ihren Zweitstimmenergebnissen ebenso wie in den Erststimmen keine Rolle spielten, ist beinahe erwartbar gewesen. Besonderheit war in der Region, dass es einen Einzelkandidaten gab. Roberto Rink, langjähriger Bundeschef der DSU, der wohl aus Frustration um die Fahnenflucht seines Weggefährten Lupart zur AfD selbst auch antrat, holte immerhin 3,1% der Erststimmen. Frau Magwas wird ihm wohl ein Fässchen Bier als Dankeschön schicken, dafür, dass ihr Wahlabend Dank der Zersplitterung der rechtskonservativen Kräfte entspannter wurde als andernorts in Sachsen.

In Sachsen ist Katzenjammer bei der erfolgsverwöhnten CDU angesagt. Im Zweitstimmenergebnis liegt die AfD tatsächlich um 0,1% vorn. Das lässt vermuten, dass hier das Protestwahlpotenzial besonders hoch gewesen ist. Blickt man nämlich auf die Erststimmen, dann zeigt sich doch, dass der Wähler den CDU-Direktkandidaten eine höhere Kompetenz zugewiesen hat als seinen oft hanebüchen daherkommenden AfD-Gegenspielern. Dennoch haben „Die Blauen“ immerhin drei Direktmandate gewonnen. In Bautzen I, Görlitz und Osterzgebirge/Sächsische Schweiz lagen die AfD-Kandidaten vorn. In Görlitz siegte Tino Chrupalla gleich gegen zwei Schwergewichte der bisherigen Politik. Sowohl Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretzschmar unterlag dem Newcomer, als auch Ex-Wirtschaftsminister Thomas Jurk. Während Letzterer zumindest über die Landesliste noch in den Bundestag einzieht, fliegt Kretzschmar aus selbigem heraus – als bisheriger Chef der CDU-Landesgruppe  Sachsen. Im Osterzgebirge holte AfD-Landeschefin Frauke Petry ein Direktmandat – gegen den „Platzhirsch“ Klaus Brähmig, der seit 27 Jahren für die Union im Bundestag sitzt und gegen den langjährigen Linken-Frontmann André Hahn. In Bautzen I hingegen gewann die AfD mit Karsten Hilse gegen weitgehend unbekannte Kandidaten – mal abgesehen von Sachsens FDP-Generalsekretär Torsten Herbst. Auch Die Linken haben ein Direktmandat geholt: Sören Pellmann holte sich im Leipziger Süden das Direktmandat und löst den seit acht Jahren im Bundestag sitzenden Thomas Feist von der CDU ab. Ebenfalls chancenlos war hier die grüne Vorzeigefrau Monika Lazar.

Kommen wir zum Bund: Da hat die Union so schlecht abgeschnitten, wie noch nie seit 1949 und auch ihr Koalitionspartner SPD wurde auf Minimalmaß gestutzt. Die SPD will nun nicht mehr mit „Mutti Merkel“ regieren. Die stark eingezogene FDP wird wohl nun gemeinsam mit den auch recht starken Grünen ein Jamaika-Bündnis machen. Ob das wirklich haltbar ist, wird sich zeigen. Wenn nicht, wird man sicher bei der SPD noch einmal nachdenken.
Was aber sind die Folgen? Ein „Weiter so“ der Kanzlerin? Müsste eine Partei- und Regierungschefin bei fast 9% Verlust nicht auch die personelle Verantwortung übernehmen? Oder ist das nicht möglich, weil alle potenziellen Nachfolger systematisch kaltgestellt wurden?
Gewonnen hat letztlich neben der wieder erstarkten FDP vor allem die AfD in Deutschland, fast 13% bundesweit sind ein deutliches Signal. Sie wurde als einzige Partei gesehen, die ernsthaft die Ängste und Sorgen der Menschen artikuliert hat – insbesondere im Bereich der Flüchtlingspolitik.
14-mal hat man nun nacheinander den Einzug in ein Parlament (in den Ländern und im Bund) geschafft. Die AfD hat zudem etwas hinbekommen, worüber seit Mitte der 90-er Jahre alle anderen Parteien sinnieren und diskutieren: Man konnte Nichtwähler zurück an die Urne holen. Dass Parteichefin und Direktmandat-Inhaberin Petry am heutigen Morgen verkündete, nicht der AfD-Fraktion im Bundestag angehören will, hinterlässt ein paar Fragen. Sie hat hier einen Fehdehandschuh geworfen – wohin das führt, wird die Zukunft zeigen. Sie will perspektivisch regieren und keine Opposition machen, will die AfD in der bürgerlich-konservativen Ecke positionieren und nicht in der rechts-nationalen.
Als liberale Stimme hat sich die FDP wieder zurück gemeldet. Mit einem regelrechten „Führerwahlkampf“ um Parteichef Christian Lindner erreichten die Liberalen 10,7%, dafür weiß kaum jemand, wer für die FDP denn nun eigentlich noch mit im Bundestag sitzen wird.
Blickt man auf Linke und Grüne, sieht man auch hier ein paar kleine Gewinne. Dennoch dürften am Ende wohl nur die Grünen zufrieden sein, weil sie ein Zipfelchen Macht erlangen könnten.

Ein Kommentar

  1. gera · September 26, 2017

    naja ist wohl logisch das die Bürger so wählen wenn man wie in Gera siehe Wahlergebnis ein Flüchtlingsheim hingestellt bekommt und die Leute täglich mit den negativen Auswirkungen konfrontiert werden kein Wunder. Anderseits ist klar das auf dem Dorf wo es noch ruhig und beschaulich zugeht die CDU geradeso vorne liegt.

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