Sport ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Diese Regel, die einst in der DDR gepriesen wurde, ist bei weiten nicht so falsch, wie manch einer meinen könnte. Über Jahrzehnte standen die deutschen für Kampfkraft, Entbehrungsbereitschaft und Leidenschaft in der Sportwelt und wurden als Gesellschaft auch so betrachtet. Gehen wir also einfacherweise davon aus, dass dieses Spiegelbild-Sprichwort tatsächlich passen könnte.
In diesem Fall gab es in dieser Woche ein überaus richtungsweisendes Urteil, das eine Sportlerin nicht nur im besten Falle für sie um ein paar Millionen reicher machen könnte, sondern das System der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport revolutionieren dürfte: Claudia Pechstein, Dauerbrennerin auf den langen Kufen und den Eisovalen der Welt hat wenige Wochen vor ihrem 43. Geburtstag das Recht erstritten, vor einem ordentlichen Gericht überprüfen zu lassen, ob denn die Sperre wegen auffälliger Blutwerte rechtens war. Dass sie mittlerweile als mit einer positiv wirkenden körperlichen Anomalie gesegnet gilt, hat vielleicht einen Teil dazu beigetragen, dass die Berlinerin den erwünschten gerichtlichen Beschluss entgegennehmen konnte, dass ihre Unterschrift, den CAS-Schiedsgerichtshof für Sportler als höchste Instanz anzuerkennen, in einem Rechtsstaat keine Gültigkeit hat. Der Gang zu einem ordentlichen Gericht muss jedem Bürger, also auch einem Sportler, frei stehen – so urteilten jetzt zusammengefasst die Richter am Oberlandesgericht München. Claudia Pechstein wird vermutlich nicht mehr Leistungssport betreiben, wenn einst das offizielle Urteil fällt, wie das zu betrachten ist, mit ihrer Sperre und wie denn das wirtschaftlich zu wichten ist, was ihr in den Jahren der Sperre alles so an Sponsorengeld entgangen sein dürfte.
Kommen wir zurück dazu, dass der Sport ja Spiegelbild der Gesellschaft ist. Dann dürfte es ja auch so sein, dass die geplanten Freihandelsabkommen, die Schiedsgerichte vorsieht, die von Firmen angerufen werden können, falls sie sich von Staaten benachteiligt fühlen, rechtswidrig sein müssten. Vorgesehen ist nämlich, dass die Sprüche dieser juristisch fragwürdigen Gerichte sowie deren Urteile bindend sind und keine rechtsstaatliche Überprüfungsinstanz haben. Jetzt aber haben die Münchner Richter gesprochen: Jedem Bürger (und selbstverständlich auch jeder juristischen Person und jeder staatlichen Institution) steht es zu, ein Schiedsgerichtsurteil nach rechtsstaatlichen Kriterien prüfen zu lassen. Insofern tun unsere Politiker und Geheimverhandler der EU gut daran, sich an geltendes Recht zu halten und derartige Schiedsgerichte bei TTIP und TISA vielleicht gleich in die Mülltonne der Geschichte zu stopfen. Ansonsten sollte jedem klar sein, dass zumindest die Chance große ist, dass ein ähnliches Urteil, wie es jetzt bei Pechstein vs. CAS gefallen ist, ganz sicher auch bei Bürger vs. TTIP fallen dürfte.